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Gemeinsam Stadt machen! Der Bundespreis kooperative Stadt
In vielen politischen Papieren kann man Forderungen nach mehr Beteiligung und Kooperation in der Stadtentwicklung lesen. Auch die von den europäischen Bauministerinnen und Bauministern Ende 2020 verabschiedete Neue Leipzig-Charta fordert dies. Doch die Praxis in den deutschen Städten sieht oft noch ganz anders aus. Die Idee eines Bundespreises für kooperative Stadtentwicklung beruht auf der Erfahrung, dass ein konstruktives Miteinander auf Augenhöhe noch längst nicht in jeder Kommune Realität ist. Für zivilgesellschaftliche Stadtmacher ist es oft schwer, die richtige Ansprechpartnerin in der Verwaltung zu finden oder sich im allgemeinen Dickicht der Verordnungen und erforderlichen Genehmigungen zurechtzufinden. Doch auch Verwaltungsmitarbeitern wird die unkomplizierte Zusammenarbeit mit Initiativen erschwert: Projektbesuche oder spontane Treffen bedürfen oftmals einer langen internen Absprache und Klärung von Zuständigkeiten unter den verschiedenen Fachämtern. Die Geschwindigkeiten und Herangehensweisen der Prozesse greifen also oftmals noch nicht gut ineinander.
Von einer kooperativen Stadt kann man sprechen, wenn die Zusammenarbeit mit engagierten Stadtmachern aktiv gefördert oder sogar von kommunaler Verwaltung oder Politik selbst initiiert wird. Hand in Hand und bisweilen durch unkonventionelle Herangehensweisen werden neue Wege in der Stadtentwicklung erprobt. Das inhaltliche Spektrum beginnt direkt vor der Haustür und reicht bis zu großen Themen: von der Freiraumgestaltung zur gemeinwohlorientierten Immobilienentwicklung, von Soziokultur zur urbanen Mobilität. Durch Neugier, Wertschätzung und gegenseitiges Vertrauen entstehen neue Wege der Zusammenarbeit und daraus lebenswerte Stadträume und Gemeingüter.
Als Antwort auf die heutigen, komplexen Herausforderungen entstehen zunehmend neue Formen der Kooperation: von Kooperationsvereinbarungen, der Beauftragung von Stadtmachern mit Planungsstudien, der Entwicklung neuer rechtlicher Regeln bis zur Gründung von gemeinsamen Genossenschaften und Vereinen: die Ermöglichungskultur in den Rathäusern gewinnt an Gestalt.
Um das Engagement mutiger Pioniere auf diesem Feld sichtbar zu machen, die sich an ganz unterschiedlichen Stellen in der Verwaltung aufgemacht haben, den Weg für mehr Kooperation in der Stadtentwicklung zu ebnen, wurde im Frühjahr 2021 erstmals vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik der Bundespreis kooperative Stadt verliehen. Kleine, mittlere und große Kommunen ab 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern konnten sich zuvor mit konkreten Maßnahmen bewerben, wie sie durch eine gelebte Ermöglichungskultur, zukunftsweisende rechtliche Regelungen und den erleichterten Zugang zu Stadtraum neue Formen einer kooperativen Stadtentwicklung geschaffen haben.
Der Bundespreis lenkt den Blick auf Geschichten des Gelingens, unkonventionelle Werkzeuge der Zusammenarbeit und mutige Wegbereiter in den Verwaltungen deutscher Städte. Insgesamt 80 Kommunen haben sich als Koop.Stadt beworben. Die eingereichten Beispiele machen deutlich, was möglich ist und sie machen Mut, abseits des Denkens in Zuständigkeiten die vielfältigen Herausforderungen der Stadtentwicklung gemeinsam anzugehen. Das Spektrum der prämierten Projekte spiegelt die Vielfalt der Kooperationskultur in deutschen Kommunen wieder: über Verfügungsfonds und Zwischennutzungen wird in Wittenberge an der Belebung der Innenstadt gearbeitet; rechtliche Vereinbarungen wie Testnutzungen und Erbbaurechtsverträge sichern Stadtmachern in Dinslaken Unabhängigkeit im Betrieb und gleichzeitig Unterstützung durch städtische Ressourcen zu; ein „Tiny Rathaus“ erprobt in Kiel als mobiles Testlabor eine neue Schnittstelle zwischen Bürgerideen und Verwaltungsstrukturen und mit dem „Freiraumbüro“ wird in Halle/Saale ein Kompetenzzentrum aufgebaut, in dem die Suche und die Aktivierung von Freiräumen für gemeinwohlorientiert-kreative Nutzungen zentral gebündelt werden.
Der Bundespreis kooperative Stadt macht deutlich: die Arbeit an der Stadt ist ein ebenso vielschichtiger wie diskursiver Prozess. Bei der Gestaltung von Stadt gilt es nicht länger zwischen Top-down oder Bottom-up zu entscheiden, vielmehr geht es um ein Miteinander im Sinne einer ko-produktiven Gestaltung von Stadt. Dieser Paradigmenwechsel hat das Potenzial zu einer zentralen Triebfeder von Innovation in der Planung zu werden – nutzen wir sie!
Unter diesem Link kann die Publikation Koop.Stadt: Preisträger – Instrumente – Praxistipps vorbestellt werden:
Instrumente der Koop.Stadt
Die Koop.Stadt entsteht aus einer Vielzahl an Aktivitäten, die zusammen ein neues Miteinander von Politik, Verwaltung und Stadtmachern ermöglichen. Eine andere Haltung von Politik und Verwaltung gegenüber zivilgesellschaftlichen Akteuren bildet dafür die Grundlage. Doch um zu einer rundum erneuerten Kooperationskultur zu gelangen, braucht es die richtigen Rahmenbedingungen. Dabei stehen immer wieder drei Themen im Fokus: Der Zugang zu und die Verfügbarkeit von Raum, finanzielle und personelle Ressourcen in der Verwaltung sowie rechtliche Instrumente.
Pioniernutzung
Anders als Zwischennutzungen sind Pioniernutzungen keine Lückenfüller: Im Hinblick auf eine langfristig nachhaltige Quartiersentwicklung können durch sie bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Planungsphase flexible Betriebsmodelle und Nutzungssynergien erprobt werden. Pioniernutzungen wie Beispielsweise am Haus der Statistik in Berlin oder beim Büchel Projekt in Aachen öffnen Räume für Stadtmacher und erkunden, welche Nutzungen dauerhaft funktionieren, welche Prozesse dafür notwendig sind und schaffen somit ein neues Ortsverständnis in 1:1 Modellen.
www.buechel-aachen.de
www.hausderstatistik.org
Community Based Planning
Koproduktive Planung rückt das „Planen mit“ den späteren Nutzerinnen oder den von der Planung Betroffenen in den Fokus. Dabei werden Planungsvorhaben in kleinere „fassbarere“ Aufgabengebiete aufgeteilt. Durch das Mitwirken an Teilaufgaben wird schrittweise Handlungs- und Entscheidungsmacht übertragen. Der Prozess kann mehrere Phasen durchlaufen und bietet in der Regel ein breites Spektrum an Mitwirkungsmöglichkeiten. Ziel ist es, möglichst passgenau die Bedürfnisse und Bedarfe der späteren Nutzergruppen abzubilden, sowie unter den Beteiligten Identifikation mit dem Vorhaben und Gemeinschaftssinn aufzubauen. Das Stadtteilprojekt BOB CAMPUS in Wuppertal wurde zum Beispiel von Anfang an kooperativ, also gemeinsam mit vielen Partnerinnen und Partnern bei der Stadt Wuppertal und im Stadtteil entwickelt und zählt heute zu einem der Leuchtturmprojekte der Stadt.
www.mittekiel.de
www.bob-campus.de
Raumbörsen
Eine Raumbörse als Kompetenzzentrum tritt als Scharnier und Übersetzer zwischen den Akteuren, Eigentümern und der Stadtverwaltung auf. Es unterstützt und begleitet gemeinwohlorientierte Initiativen auch bei der Organisation und Umsetzung temporärer oder längerfristiger Projektvorhaben, sucht, öffnet und vermittelt Räume. Beispiele dafür sind das Freiraumbüro in Halle/ Saale, der Raumkompass in Nürnberg oder die Zwischennutzungsagentur blank in Jena.
raumkompass.nuernberg.de
Erbbaurechte für das Gemeinwohl
Ein im Erbbaurechtsvertrag festgelegter Erbbauzins kann der Projektgesellschaft erlassen werden, solange diese gemeinnützig und im Sinne eines gemeinsam erarbeiteten Handlungsprogramms tätig ist. Im Fall der Samtweberei Krefeld hat sich die Projektgesellschaft im Gegenzug verpflichtet, die jährlichen Überschüsse aus der Immobilie mindestens in der Höhe des vereinbarten Erbbauzinses für die Gemeinwesenarbeit in der Immobilie und im Quartier zu verwenden. Der Stadtrat in Dessau hat einen Grundsatzbeschluss gefällt, mit der Maßgabe, dass der Erbbauzins für gemeinwohlorientierte Projekte zu vergünstigten Konditionen gewährt werden kann. Für das Stadtmacherprojekt VorOrt-Haus in Dessau wurde der Erbpachtvertrag so modifiziert, dass in den ersten zehn Jahren der Erbbauzins sogar gänzlich ausgesetzt wird.
Der Bundespreis Koop.Stadt wird von den Trägern der Nationalen Stadtentwicklungspolitik ausgelobt, von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden. Mit dem Preis werden herausragende kommunale Beispiele einer Kooperationskultur zwischen Kommune und Zivilgesellschaft ausgezeichnet. Das Projekt wird durchgeführt durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung, unterstützt vom Büro stadtstattstrand – Kreativer Umgang mit urbanem Raum.